Transportschiffe bei der Operation "Weserübung"
verfasst von Theodor Dorgeist und Christoph Fatz
Vorwort zum „Weserübung“ – Projekt
In der Literatur über den Seekrieg 1939-45 hat die Handelsmarine bisher wenig Beachtung gefunden, obgleich ohne sie Nachschubtransporte, später Rücktransporte und die bis zum Schluss laufenden Erztransporte nicht möglich gewesen wären.
„Weserübung“, das erste große Landungsunternehmen des 2. Weltkrieges, brachte enorme Herausforderungen und eine besondere Belastung für die deutsche Schifffahrt mit sich. Es ist nicht unsere Absicht, Planung und Ablauf des gesamten Unternehmens „Weserübung“ darzustellen. An dieser Stelle wollen wir auf die zahlreiche Veröffentlichungen verweisen, die im Laufe der Zeit zum Thema „Weserübung“ erschienen sind. Vielmehr haben wir es uns zu Aufgabe gemacht, in einer Datenbank alle auf deutscher Seite eingesetzten Handelsschiffe zusammen zutragen und deren Lebensläufe nach aktuellen Wissensstand zu präsentieren.
Ein großer Herzenswunsch von Theodor Dorgeist war und ist es, die bisher unbekannte Logger-Transportflotte dem Vergessen zu entreißen. Hier ist der Anfang gemacht und die Liste der teilnehmenden Logger wir laufend aktualisiert.
Das Projekt
Während in Dänemark („Weserübung“ – Süd) Transportschiffe nur am 09.04.1940 punktuell zum Einsatz kamen (Nyborg, Korsör), konnte der norwegische Operationsteil („Weserübung“ – Nord) nur mit Hilfe einer großen Transportflotte, die Menschen, Material und später Nachschub für die kämpfende Truppen brachte, erfolgreich durchgeführt werden. Dazu vorgesehene Schiffe wurden in drei Seetransportstaffeln, eine Ausfuhrstaffel und eine Tankerstaffel zusammengefasst.
Roda 1955 nach der Bergung.
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Den Anfang machten sieben Schiffe der Ausfuhrstaffel. Sie liefen zwischen dem 03. und 07.04. aus Hamburg (Brunsbüttel) aus und sollten schweres Gerät, Munition und Ausrüstung getarnt in norwegische Häfen bringen. Aus Geheimhaltung fuhren alle Schiffe als Einzelfahrer ohne Geleitschutz und erlitten dadurch schwere Verluste. Von der Ausfuhrstaffel sind 5 Dampfer (ALSTER, MAIN, RAUENFELS, RODA, SAO PAULO) in Verlust geraten, bevor sie ihren Zielhafen erreicht haben! Ein sechster Dampfer (BÄRENFELS) sank am 14.04.1940 nach Bombentreffer in Bergen.
Als nächste liefen aus Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Hamburg und der Basis Nord in der Sowjetunion insgesamt neun Schiffe der Tankerstaffel aus. Sie sollten die Treibstoffversorgung für ankommende Einheiten der Kriegsmarine und für die Luftwaffe sichern. Auch diese Staffel, alles Einzelfahrer, erlitt hohe Verluste. Vier Tankschiffe (KATTEGAT, MOONSUND, SKAGERRAK, STEDINGEN) gingen vor Erreichen ihrer Zielhäfen verloren. JAN WELLEM, von der Basis Nord kommend, erreichte zwar Narvik, musste dort jedoch am 14.04.1940 von der Besatzung versenkt werden (allerdings im flachen Wasser und wurde später geborgen).
Hauptlast der Truppen- und Materialtransporte trugen in den ersten Tagen (neben den Kampfschiffgruppen) die 1. und 2. Seetransportstaffel. Die 15 Schiffe der 1. Seetransportstaffel liefen gesichert durch Einheiten der Kriegsmarine am 06. und 07.04.1940 von Stettin nach Norwegen aus. Zielhäfen waren Oslo, Bergen, Kristiansand und Stavanger. Von den Dampfern der 1. Seetransportstaffel gingen drei (ANTARES, IONIA, RIO DE JANEIRO) verloren. Allerdings muss erwähnt werden, dass RIO DE JANEIRO als Einzelfahrer fuhr. Ein weiteres Schiff dieser Staffel, AUGUST LEONHARDT, sank auf dem Rückmarsch im Kattegat.
Von den elf Schiffen der 2. Seetransportstaffel, die am 08.04.1940 von Gotenhafen und Königsberg nach Oslo (der „Königsberg“-Dampfer SCHARHÖRN wurde nach Frederikshavn umgeleitet) ausliefen, wurden trotz Geleitschutz zwei Schiffe (FRIEDENAU, WIGBERT) versenkt. Ein Dampfer dieser Staffel, die HAMM, ging am 18.04.1940 bei einer weiteren Fahrt im Skagerrak durch ein Torpedo verloren.
Dampfer Tucuman am 12.05.1940
beim Eintreffen in Oslo.
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Wie sich herausstellte, konnten nur die beiden Seetransportstaffeln planmäßig durchgeführt werden. Fünf Schiffe liefen im Rahmen „Weserübung“ – Süd am 07.04. (CAMPINAS, CORDOBA) und am 09.04.1940 (BUENOS AIRES, ENTRE RIOS, LEUNA) von Kiel nach Nyborg und Korsör aus. Alle fünf fuhren in den nächsten Tagen im Rahmen der 3. Seetransportstaffel nach Norwegen. Dreizehn Schiffe der 3. Seetransportstaffel wurden in Hamburg und Kiel beladen und liefen zwischen dem 13.04. und 17.04.1940 in mehreren Geleitzügen nach Oslo aus. Diese Staffel erlitt keine Verluste.
Weitere Transporte mussten der jeweiligen Situation angepasst und zum Teil improvisiert werden. Nach schneller Besetzung Jütlands wurden Großteile der Truppen- und Nachschubtransporte über Aalborg, Frederikshaven und Aarhus im Pendelverkehr abgewickelt. Trotz relativ kurzer Entfernungen und Geleitschutz waren weitere Schiffsverluste (AMASIS, BAHIA CASTILLO - konstruktiver Totalverlust, BUENOS AIRES, CAMPINAS, FLORIDA) zu beklagen.
Um weitere Verluste zu minimieren, wurden zum Transport von Nachschubgütern über 60 Fischlogger herangezogen. Der erste Fischloggertransport lief am 17.04. 1940 aus Frederikshaven nach Oslo aus (Quelle: H.-J.Witthöft). Zu den 59 Schiffen (25.348 BRT), die im Laufe der „Weserübung“ in deutsche Hände fielen und wieder als Transporter eingesetzt wurden, gehört u.a. die norwegische NORDNORGE. Dieser kleiner Postdampfer, am 09.04.1940 in Trondheim sichergestellt, wurde zum Transport von Gebirgsjägern in Rahmen der recht verwegenen Operation „Wildente“ eingesetzt. Er fiel am 10.05.1940, Tag der Ankunft in Hemnesberget, zusammen mit dem kleinen Postdampfer RANHEIM britischen Schiffen zum Opfer.
Nach acht Wochen endete das Unternehmen „Weserübung“ am 10.06.1940 mit Kapitulation der norwegischen Armee in Trondheim.
Bilanz
Von den 119 bei „Weserübung“ eingesetzten Schiffen (527.720 BRT) sind 24 Dampfer (139.227 BRT) in Verlust geraten. Noch im Jahre 1940 wurden 3 Schiffe BÄRENFELS, JAN WELLEM, KATTEGAT (mit einer Tonnage von 25.403 BRT) gehoben und in nächsten Jahren instandgesetzt. Somit wurden 21 Schiffe (ca. 18% der eingesetzten Schiffe) mit einer Tonnage von 113.824 BRT (ca. 24% der eingesetzten Schiffe) zum Totalverlust. Von den 61 Fischloggern (ca. 8654 BRT) und 67 Fischkuttern (ca. 1744 BRT; bei 11 Fischkuttern konnte die Tonnage z.Z. nicht ermittelt werden) die an "Weserübung" teilgenommen haben, sind keine Verluste bekannt. Allerdings im gegensatz zur Fischloggern muß bei vielen Fischkuttern die teilnahme an "Weserübung" (als Transportfahrzeuge) als Fraglich angesehen werden.
Zu den Schiffen
Grundstock der Auflistung aller Transporter und Tanker war neben den meist bekannten Quellen zum " Unternehmen Weserübung" die Ausarbeitungen von Cai Boie und eine Karteikartensammlung im Nachlass Gerhard Koop.
Dazu kommen natürlich eine Unzahl KTBs und Akten der „Kriegsschadenämter“ für die Seeschifffahrt in Hamburg und Bremen.
Neben dem Gröner wurden im Laufe der letzten gut dreißig Jahre auch die Bestände der KMD Kartei in Freiburg und weitere Quellen ausgewertet. Ebenso lange reicht ein ständiger Schriftverkehr mit Erling Skjold und anderen Freunden im weltweiten Feld der Shiplover zurück.
Bei den gesammelten Schiffen sollen folgende Kriterien gelten:
- Transportschiffe und Tanker
aufgenommen:
- • Alle bekannten Schiffe der einzelnen Transportstaffeln
- • Alle überprüften Schiffe aus den Aufstellungen von Cai Boie und Gerhard Koop.
- • Alle bis zum 10.06.1940 mit dem Verwendungszweck "Weserübung" erfassten Schiffe.
- • Die direkt in Norwegen für das Unternehmen erfassten Schiffe.
nicht aufgenommen:
- • In Norwegen erfasste ausländische Schiffe welche als Hilfssperrbrecher, Sperrschiffe, Lagerschiffe usw. benutzt wurden.
- • In Norwegen liegende deutsche Schiffe welche von der Aktion überrascht wurden. (gibt es später ggf. als Extraarbeit!)
- • Handelsschiffe welche als Hilfsschiffe ( Sperrbrecher, Minenschiffe usw.) bereits vorher im KM-Dienst waren.
- Fischdampfer und Fischlogger
aufgenommen:
- • Alle für den Loggereinsatz Nord erfassten Logger in den Loggerlisten
- • Lt. KMD - Erfassungsliste u. a. Quellen erfasste Schiffe
- • Die im Gröner speziell für Weserübung genannten Schiffe
nicht aufgenommen:
- • Bereits im KM-Dienst stehende U-Jäger, Vorpostenboote, Minensuchboote
- Fischkutter
aufgenommen:
- • Alle in der Loggerliste stehenden Fischkutter
- • Lt. KMD-Erfassungsliste u. a. Quellen erfasste Schiffe
- • Die im Gröner speziell für Weserübung genannten Schiffe
- sonstige Schiffe
aufgenommen:
- • Einzelschiffe welche als reine Transportschiffe benutzt wurden, obwohl sie bereits für andere Zwecke erfasst wurden.
nicht aufgenommen:
- • Schiffe wie U-Boote, welche als Treibstofftransportschiffe eingesetzt wurden, und andere Schiffe denen quasi als Beiladung Truppen und Ladung an Bord gegeben wurden.
Ausklang
Mein besonderer Dank gilt meinem Mitstreiter Christoph Fatz, welcher monatelang unermüdlich die immer umfangreicher werdenden Schiffsmengen in Form brachte und dabei kritisch eine Unzahl eingeschlichener Fehler genau analysierte und teils tagelang gegenprüfte.
Durch seine ausgeprägte Präzession und Vorsicht wurde jeder neue Schiffslebenslauf zur freudigen Überraschung.
Gedankt sei auch allen Freunden und Helfern in den vergangenen Jahren und jetzt bei der laufenden Arbeit.
Es werden noch eine Menge kleiner Schiffe in diese Datenbank kommen, da jedoch die großen Transportschiffe nun aber wohl feststehen, soll diese Arbeit als weitere Datenbank in unserem Historischen MarineArchiv öffentlich werden.
Wir werden uns für Hinweise, und sollten diese noch so klein sein, immer dankbar zeigen.
Besonders suchen wir zu den Schiffen noch ergänzende Fotos, Zeichnungen und ggf. nützliche Links.
Theodor Dorgeist