Neben der zum Überqueren offener Gewässer entwickelten Landungsfahrzeuge wie Marinefährprähme oder Siebelfähren, deckten die Sturmboote der Pioniere das Einsatzgebiet der gewaltsamen Überquerung von Flussläufen, diversen Aufgaben in Binnengewässern sowie die Truppenlandung aus Transportschiffen zum Zwecke der Anlandung an feindlichen Küsten ab. Während die Pioniertruppe bereits in den 1920er Jahren mit dem Einsatz von Schleppmotorbooten für die Unterstützung von Flussüberquerungen mittels Schiffsbrücken oder Behelfsfähren Erfahrungen sammelte und verbesserte Varianten bauen ließ (M-Boote), dauerte es bis 1935, ehe eine Waffe für einen Sturmangriff entstehen konnte.
Die als kleines/leichtes Sturmboot 39 (le.Stubo 39) bezeichneten Boote bewährten sich im Kampfeinsatz 1939 und 1940 während der Feldzüge in Polen und Westeuropa, wurden im Anschluss in verschiedenen Formen bei den Versuchen im Rahmen der Vorbereitung zur Landung in England getestet und auch 1941 beim Angriff gegen die UdSSR verwendet.
Hier zeigten sich jedoch die Grenzen der Einsatzmöglichkeiten der gegen Seegang anfälligen Boote und ihrer neu entstandenen Truppenverbände (Sturmbootskommandos). Nach teilweise erheblichen Verlusten während der Eroberung der Baltischen Inseln im Herbst 1941 führte der Wunsch nach einem seetüchtigen Sturmboot zur Entwicklung und bereits ab Frühjahr 1942 zu dessen ersten Erprobung. Der als großes/schweres Sturmboot 42 (s.Stubo 42) bezeichnete Bootstyp wurde bis Kriegsende serienmäßig gebaut und bewährte sich wie sein kleinerer Vorgänger.
Beide Bootstypen waren bis Mai 1945 an den Brennpunkten der Kämpfe des deutschen Heeres im Einsatz.
Während in diesem HMA-Projekt im Einleitungstext beide in Serie gebauten Sturmbootstypen sowie mit dem Seesturmboot eine noch weitergehende Variante beschrieben werden, beschränkt sich die Datenbank auf die Datensätze der schweren Sturmboote und Seesturmboote. Da die Quellenangaben nicht immer eindeutig zwischen den Sturmbootstypen unterscheiden, werden zusätzlich noch vereinzelte Datensätze mit unklarer Zuordnung zu einem Bootstyp vorgehalten, welche eine Recherche oder Klarstellung erleichtern sollen und ggf. auch auf leichte Sturmboote verweisen.
Bei einem Besuch des Generals der Pioniere und Festungsbau Förster 1935 in Budapest wurde ihm von ungarischen Pionieren ein neu eingeführtes Angriffsboot vorgeführt. Dieses mit einem Außenbordmotor ausgestattete Fahrzeug konnte der General selbst fahren und war von der Neuentwicklung sehr beeindruckt. Neben zwei Booten als Geschenk wurde auch die Lizenz zum Nachbau dieser von General Förster zurück nach Deutschland mitgebracht.
1936 wurde eine erste Serie mit nur wenigen Modifikationen bei der Engelbrecht-Werft in Eberswalde gebaut und bei einer Übung vor den Augen des Oberbefehlshabers des Heeres, Generaloberst Fritsch, bei einem Brückenschlag über den Rhein vorgestellt. Der General war ebenfalls von den Leistungen des Bootes angetan und stellte den Bau von 200 Booten sicher.
Diese liefen ab Frühjahr 1939 der Truppe zu. Bereits im Polenfeldzug 1939 und bei zahlreichen Flussübergängen während des Westfeldzuges im Mai und Juni 1940 bewährte sich die Konstruktion. Die Sturmbootfahrer markierten stolz die einzelnen Einschüsse im Bootsrumpf mit Datum und Ort des Einsatzes.
Ab Mitte Juni und verstärkt ab Juli und August 1940 werden mit den Sturmbootkommandos 901, 902, 903, 904, 905 und 906 neue Spezialverbände für Sturmanlandungen aufgestellt. Mit dem Beginn der Vorbereitung für das Unternehmen „Seelöwe“ werden die Sturmboote erstmals für den Einsatz von Transportfahrzeugen vorbereitet. Da sie die erste Angriffswelle für die Landung in England anlanden sollten, werden Versuche und Übungen mit Sturmbootrutschen und anderen Absetzmöglichkeiten von größeren und seetauglicheren Fahrzeugen durchgeführt.
Nach der Verschiebung der geplanten Invasion werden in diese Erprobungen auch größere Landungsfahrzeuge einbezogen und z.B. der Einsatz von Siebelfähren oder MFPs erprobt und spezielle Varianten dieser Transportfahrzeuge ausprobiert.
Während des Unternehmens „Barbarossa“ ab Juni 1941 spielen die Sturmbootkommandos eine wichtige Rolle bei der Überwindung der zahlreichen Wasserhindernisse während des Vormarsches der Wehrmacht.
Im September 1941 erleiden die beim Einsatz gegen die Baltischen Inseln eingesetzten Kommandos mit 50 von 182 eingesetzten leichten Sturmbooten erhebliche Verluste durch Seegang und Brandung. Dieser Einsatz sowie auch schon die Erfahrungen während der Erprobungen im Rahmen „Seelöwe“ führen zur Entstehung des schweren Sturmbootes 42 und zeigen die Grenzen der Einsatzmöglichkeiten des kleineren Vorgängers.
In den Jahren 1942 bis 1945 bleiben die leichten Sturmboote weiterhin eine wichtige Waffe während aller offensiven aber auch defensiven Einsätze der Pioniere auf allen Kriegsschauplätzen. Nicht nur in den Binnengewässern (z.B. auch auf dem Peipussee, Plattensee oder Ilmensee), sondern auch an den Küsten des Mittelmeeres, der Adria, Ägäis und Schwarzen Meeres, in Norwegen und während des Rückzugs der Wehrmacht an der Nord- und Ostseeküste.
Die leichten Sturmboote werden in verschiedenen Verbänden der Landungspioniere zusammen mit Landungsbooten und dem großen Bruder schweres Sturmboot 42 kombiniert und so ein flexibler und den jeweiligen Anforderungen entsprechend anpassungsfähiger Verband geschaffen.
Es ist leider nicht möglich, die Gesamtzahl der gebauten leichten Sturmboote anzugeben. Nach den erhaltenen Unterlagen kann man von mehreren Tausenden ausgehen. Das aus Fichtensperrholz auf Eichenspanten gebaute Boot erlaubte eine Massenfertigung in kleinen und kleinsten Werften und Holzwerkstätten. Prototypen mit Bootsrumpf aus Kunststoff kamen nicht mehr zur Serienfertigung.
Neben der Lieferung der Boote an die Heerespioniere (v.a. die 10 Sturmbootkommandos und 225 Brückenkolonnen) wurden auch Fahrzeuge an die Waffen-SS, Marine und Luftwaffe (Flugsicherungsboote Klasse E) geliefert. Z.B. wurden 1940/41 ca. 60 an die Seenotkommandos in Frankreich geliefert. Der Bootskörper war auch Basis der von der Küstenjägerabteilung Brandenburg entwickelten Ladungssprengboote 41, für welche 30 Boote geliefert und deren Restbestand im Juni 1944 an das Kommando der Kleinkampfmittel übergeben wurde. Als Nachfolgemodell wurde das Sprengboot Typ „Linse“ weiterentwickelt.
Als Nachfolger des le.Stubo 39 speziell für den Einsatz über See - hier spiegelten sich die Erfahrungen während der Vorbereitungen zum Unternehmen „Seelöwe“ 1940/41 und die Landungen auf den Inseln in der Ostsee im Herbst 1941 wieder - entwickelte die Engelbrecht-Werft in Berlin-Köpenick das große bzw. schwere Sturmboot 42 (s.Stubo 42).
Die Anforderung sah ein größeres, seetüchtiges Sturmboot mit größerer Reichweite bis Seegang 4 vor. Der Antrieb der Boote bestand aus 2 Maybach-Vergasermotoren mit je 250 PS oder 2 Vomag-Dieselmotoren mit je 200 PS. Die Boote konnte einen Zug Infanterie (30-40 Mann) bzw. 3000 kg Zuladung mit bis zu 21 kn befördern.
Eine wichtige Anforderung war die Möglichkeit einer Kranverladung sowie eines Bahntransportes. Eine Be- und Entladerampe war nicht vorgesehen, bei der Landung an einem Strand mussten die Soldaten durch einen Sprung aus knapp 2 Meter Höhe bewältigen.
Die erste Serie von 100 Booten wurde von über 20 Werften an Flüssen und Binnenseen aus Holz mit eisernen Bodenwrangen und Spanten gebaut. Der erste Prototyp war im Mai 1942 fertiggestellt worden. Die als Transportboote konzeptionierten s.Stubos eigneten sich aber auch für Aufgaben als Führungs- und Verbindungsfahrzeuge.
Dies führte dazu, dass die Boote recht schnell von den eingesetzten Verbänden durch individuelle Umbauten und Erweiterungen modifiziert wurden. Eine der ersten Maßnahmen war in der Regel die provisorische Abdeckung des vorderen Laderaumes. Beim Bau der 2. Serie, die ebenfalls auf zahlreichen Werften gebaut wurde - u.a. auf der Pionier-Werft in Kolding/Dänemark - wurden dann serienmäßig Schiebeluken eingebaut, so dass die Seetüchtigkeit bis Seegang 6 stieg.
Von der etwas vergrößerten 3. Serie (Forderungsbeschreibung vom Sommer 1944) wurden nur wenige Boote fertig.
Die standardmäßige Bewaffnung der Boote sah zwei MG 151/20 in Zwillingslafette und 12 Nebelkerzen vor. Die Bildnachweise zeigen aber, dass die einsatzmäßige Bewaffnung sehr stark variierte: von unbewaffneten Booten bis hin zu solchen mit z.B. zwei MG 151 Drillingslafetten, zwei MG 34 auf Zwillingslafette oder auch anderen Variationen.
Im Winter 1942/43 wurden die spezialisierten s.Stubo-Kompanien 941 und 942 mit jeweils 12 Booten aufgestellt. Einzelne Boote wurden aber bereits davor an verschiedene Landungspionierverbände geliefert und schon bald gehörte das s.Stubo zur Ausstattung der im Schwarzen Meer und Mittelmeerraum eingesetzten Verbände.
Auch die im Januar 1943 aus dem Sonderverband „Brandenburg“ aufgegangene und fast vollständig aufgestellte Küstenjägerabteilung (Kjg.Abt.) sollte ca. 25 s.Stubo 42 besitzen. Die einzelnen Kompanien der Kjg.Abt. konnten nicht mehr wie geplant nach Afrika überführt werden und wurden ab Frühjahr und Sommer 1943 in anderen Bereichen des Mittelmeerraums eingesetzt.
Auch bei den anderen Verbänden der Landungspioniere des Heeres bewährte sich der Bootstyp. 1943 wurden z.B. im Asowschen Meer spezielle Vorposteneinsätze der schweren Sturmboote zur Überwachung der Zugänge zur Nordküste der Taman-Halbinsel gegen sowjetische Anlandungen durchgeführt. Die Ldgs.Pi.Btl. 86 und 214 verwendeten die s.Stubos z.B. während der Rückzugskämpfe 1944 im Schwarzen Meer (u.a. bei der Räumung der Krim). Zwischen März und August 1944 operierten s.Stubos des Ldgs.Pi.Btl. 772 auf dem Peipussee.
An den Kämpfen an der Ostseeküste 1944/45 beteiligten sich zahlreiche Boote, welche teilweise direkt von den Ersatz- und Ausbildungsverbänden in Dänemark abgezogen wurden und erlitten hier, wie auf den anderen Kriegsschauplätzen, ebenfalls hohe Verluste. 1945 befanden sich s.Stubos u.a. in der Ausstattung der Ldgs.Pi.Rgt.Stäbe 769, 770, Ldgs.Pi.Btl. 128, 771, 772, der mit Seeschlange (Landungsbrücken) ausgerüsteten Ldgs.Pi.Kp. 768, 773 sowie weiterer Ersatz- und Ausbildungsverbände.
Von den etwa 200 gebauten Booten überstanden einige den Krieg und dienten dann als Wasserschutzpolizeiboote oder auch im privaten Besitz auf Flüssen und Binnengewässern. Einige Fahrzeuge wurden in anderen Marinen eingesetzt. 1945 wurden z.B. vier s.Stubos auf der Werft in Konitz (Chojnice) von Polen erbeutet und als Räumboote in der polnischen Nachkriegsmarine verwendet. In der Adria wurden mehrere Beutefahrzeuge von der jugoslawischen Marine eingesetzt.
Das Seesturmboot 43 entstand durch eine Entwicklung des WaPrüf 5 (Heereswaffenamt) bei der Bootswerft Schneider in Berlin. Nachdem die Marine eine vom Heer erbetene Zuweisung von 10 LS-Booten (leichtes Schnellboot) nicht erfüllt hat, beauftragte WaPrüf 5 die Schneider-Werft mit der Entwicklung eines „Seesturmbootes“. Das Boot sollte als Sturmboot für die Küstenjägerabteilung sowie als Kommandoboot für Ladungssprengboote dienen.
Dabei ging man einen neuen Weg, das Sturmboot als Gleitboot zu entwickeln. Der Antrieb bestand aus drei Otto-Motoren mit je 50 PS, die eine Geschwindigkeit von ca. 40 km/h dem Boot geben sollten. Es sollte wie die Vorgänger bahn- und straßenverladbar sein. Bei einer Länge von 9,80 m und 1,5 t Gewicht sollten neben 2 Mann Besatzung auch 10 Soldaten oder 1 t Ladung befördert werden können.
Die lediglich als Versuchsmuster gebauten drei Boote wurden im Juli 1943 erprobt und gingen vermutlich im April 1944 an das Kommando der Kleinkampfmittel. Eine Serienfertig wurde nicht durchgeführt.
Wichtige Voraussetzung für die wissenschaftliche Aufarbeitung des Schicksals der einzelnen Fahrzeuge ist deren korrekte Bezeichnung in Dokumenten sowie in den Augenzeugen- und Erlebnisberichten. Leider führt die synonyme oder teilweise willkürliche Verwendung der Begriffe „Sturmboot“ für die einzelnen Bootstypen jedoch zu häufigen Verwechslungen und ungeklärten Lebensläufen.
Erschwerend kommt noch die in den einzelnen Einsatzverbänden durchgeführte Umbenennung beziehungsweise Neunummerierung der Fahrzeuge hinzu. Dies gilt vor allem für die Pionierfahrzeuge, welche als „Pioniergerät“ ohne aktenmäßiges Festhalten jederzeit neue Nummern erhalten konnte, so dass heute eine Zuordnung zu einem Truppenverband oder Sturmbootstyp bereits schwierig bzw. als Erfolg gewertet werden kann.
Daten / Typ |
Leichtes Sturmboot 39 |
Schweres Sturmboot 42 |
Schweres Sturmboot 42, Variante 44 |
Seesturmboot 43 |
Gewicht (kg) | 200 (leer) 492 (mit Motor und Abdeckung) |
8000 (leer) | 9500 (leer) | 1500 |
Länge (m) | 5,998 (ohne Motor) ca. 8,500 (mit Motor) |
14,70 | 15,50 | 9,80 |
Breite (m) | 1,58 (ohne Abdeckung und Fender) | 3,0 | 3,0 | 3,10 |
Tiefgang leer (m) | 0,65 | 0,65 | 0,50 | |
Tiefgang beladen (m) | 0,80 | 0,80 | ||
Seitenhöhe (m) | 0,64 (ohne Abdeckung) | 1,65 (Seitenhöhe bis Oberkante Deck) 2,70 (Gesamthöhe mittschiffs) |
1,75 (Seitenhöhe bis Oberkante Deck) 2,70 (Gesamthöhe mittschiffs) |
|
Antriebsanlagen Anzahl | 1 | 2 | 2 | 3 |
Maschinenleistung (Typ, PS) |
1 Kovacs Otto oder 1 FMA Otto o.ä. mit 30-33 PS |
2 Maybach-Vergasermotoren mit je 250 PS oder 2 Vomag-Dieselmotoren mit je 200 PS oder 2 Somua-VM S 35 je 190 PS |
drei Otto-Motoren mit je 50 PS | |
Geschwindigkeit leer (kn) | 21,6 (mit Maybach-Motoren) | |||
Geschwindigkeit beladen (kn) | 11 | 20,5 (mit Maybach-Motoren) 20 (mit Vomag-Motoren) |
21,6 | |
Treibstoffvorrat (l) | 18 | 2 Tanks je 500 l | 2 Tanks je 500 l | |
Fahrbereich | ca. 2 Std. mit einer Tankfüllung | 160 sm bei 0,8 t Benzin | 200 sm bei 0,8t Öl | ca. 250 sm bei 0,7t Benzin |
Besatzung | 2 | 7 | 7 | 2 |
Ladefähigkeit | 0,5 t = 6 Mann oder 1 schwerer Granatwerfer + 4 Mann |
3000 kg oder 40 Mann | 3000 kg oder 40 Mann | 1000 kg oder 10 Mann |
Bewaffnung | - | 2 MG 151/20 in Zwillingslafette + 12 Nebelkerzen |
2 MG 151/20 in Zwillingslafette + 12 Nebelkerzen |
Weitergehende Literatur:
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