Großbritannien entwickelte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die ersten speziell für diesen Zweck entwickelten Landungsboote – das sogenannte „horse-boat“. Deutschland folgte erst Anfang des 20. Jahrhunderts: Das in Harburg stationierte Schleswig-Holsteinische Pionier-Bataillon Nr. 9 (Pi.Btl. 9) hatte sich auf Vorgabe des Chefs des Ingenieur- und Pionierkorps und Generalinspekteurs der Festungen General Colmar Freiherr von der Goltz seit etwa 1900 mit der Entwicklung und Erprobung von Landungstechniken und -mitteln befasst. Wahrscheinlich mit dem horse-boat als Vorbild erhielt das Pi.Btl. 9 etwa 1904 seine ersten vier Pferdeboote, die ersten deutschen zweckgebauten Landungsboote. Nach ausführlicher Erprobung wurde eine Serie von weiteren zehn Booten bestellt.
Die Pferdeboote waren aus Eisen erbaut und 10,5 m lang und 3,4 m breit. Ihr Tiefgang betrug unbeladen 0,45 m, beladen 0,75 m (Seitenhöhe dabei ca. 1,6 m). Ihr Rumpf war prahmartig mit einem Löffelbug und Plattheck. Da der Rumpf nach oben offen war, drohten sie bei einer Kenterung, die je nach Lage des Schwerpunkts der Zuladung möglich war, vollzulaufen. Um in einem solchen Fall ihr Sinken zu verhindern, war ihr doppelter Boden in wasserdichte Abteilungen unterteilt.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, baute die Stülckenwerft in Hamburg noch im Jahr 1914 zehn weitere Pferdeboote, im Jahr 1915 die Hamburger Reiherstiegwerft nochmals 14 Boote. Insgesamt wurden 65 Boote gebaut, wobei unklar ist, welche Werft(en) die restlichen 27 Boote gebaut hat/haben. Im Ersten Weltkrieg nahmen die Pferdeboote an drei kriegsmäßigen Einsätzen teil: im Herbst 1915 an dem Donau-Übergang im Feldzug gegen Serbien, im Herbst 1916 an dem Donau-Übergang im Feldzug gegen Rumänien und im Herbst 1917 am Unternehmen „Albion“, der deutschen Landung auf den von Russland besetzten Baltischen Inseln. Beim Finnland-Unternehmen im April 1918 waren sie zwar an Bord der Transportdampfer, konnten aber wegen der Eislage nicht zum Einsatz kommen. Insgesamt haben sie – aller Kritik von Seiten der Marine zum Trotz – die an sie gestellten Aufgaben mit Bravour erledigt.
Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm das in Stettin-Podejuch stationierte Pi.Btl. 2, das die Tradition des Harburger Pi.Btl. 9 fortführte, 6 Pferdeboote und führte weitere Versuche durch, bei denen die Boote letztendlich aufgebraucht wurden. Im Zweiten Weltkrieg kamen Pferdeboote nicht mehr zum Einsatz. Sie waren Entwicklungen ihrer Zeit – dem Anfang des 20. Jahrhunderts – und entsprachen dem damaligen internationalen Stand der Technik, wie der Vergleich mit dem britischen horse-boat zeigt. Als solche haben sie sich bestens bewährt. Spätestens aber ab dem Ende des Ersten Weltkrieges waren sie veraltet und nicht mehr leistungsfähig genug. Neue Ideen und Lösungen mussten her. Dies führte ab 1938 zur Entwicklung der Pionierlandungsboote durch die Pioniere der Reichswehr bzw. Wehrmacht.
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