Bericht über meine Einsätze mit der 10. Landungsflottille in der Adria

Ein Erlebnisbericht von Heinz Koch, Signalgast und Flak-Schütze (damals 18 Jahre alt)

Am 20.07.1944 kam ich mit 10 kompletten MFP-Besatzungen mit einem Militärzug in Mailand an. Wir waren vom 2. Landungsstammregiment Beverloo/Belgien in Marsch gesetzt worden. Nach 3 Tagen Wartezeit kamen 5 Besatzungen nach La Spezia und ich mit den anderen 5 nach Triest. Etwa 10-20 km vor Triest stieg unsere Besatzung in Monfalcone aus.
Monfalcone hat im nördlichen Adriaraum die größte Schiffswerft. Seit Wochen lagen auf den Hellingen 100 MFPs. Nach einem Bombenangriff wurden alle bis auf zwei zerstört. Wir kamen im Marinestützpunkt der 7. Schnellbootflottille unter. Die restlichen Arbeiten an den beiden unversehrt gebliebenen Booten waren nach 14 Tagen beendet und wir stiegen auf F 942D ein.
Am Spätnachmittag ging dann die Reise los – Richtung Triest und ohne Waffen. Nach etwa 2-3 Stunden hatten wir unser Ziel erreicht und bekamen Order sofort ins Arsenal zu verholen. Nach dem Einbau sämtlicher Waffen, dem Übungsschießen und Entmagnetisieren, bekamen wir die erste Gelegenheit, unsere Schießkunst zu beweisen. Ein englischer 4-motoriger Bomber kam im Tiefflug in die Reichweite unserer 8,8-cm-U-Bootskanone. Der 4. Schuss war ein Volltreffer und mit einer großen Rauchfahne stürzte der Bomber ins Meer.
Nach wochenlangen Einsätzen, wobei wir Güter aller Art zwischen Venedig, Triest, Pola und Fiume transportieren mussten, kam unsere erste große Bewährungsprobe.

Am 10.10.1944 Verladung von Kriegsgut und um 18.30 Uhr ablegen und formieren. Es waren 5 Boote. Das Ziel war unbekannt. Später habe ich erfahren, dass es nach Zara und Sibenik gehen sollte. Wir liefen Richtung Süden und passierten den Kanal zwischen der Insel Krk und dem Festland. Nach der Durchfahrt erreichten wir die Nordspitze der Insel Rab. Die Formation löste sich auf und verteilte sich um die Insel um dort nach Tarnung den nächsten Abend abzuwarten. Am 11.10. fuhr das Geleit um 18.00 Uhr in Richtung Süden weiter. Um 23 Uhr passierten wir die Nordspitze der Insel Vir. Kurz darauf wurden wir von 5 englischen MGBs und 4 MTBs angegriffen. Bei dem Gefecht gingen 4 der 5 Boote verloren. Nur das Infanterieboot I-O-1 blieb unbeschädigt. Unser Boot musste am Strand der Insel Vir aufgegeben werden.
Ein detaillierter Gefechtsbericht kann hier gelesen werden:


F 935, ein MFP vom Typ D, im Sommer 1944 in der Adria
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Wir wurden dann nach Zara gebracht. Dort kam ich dann in die Räumungsaktion. Zara war eine italienische Freistadt in Kroatien. Die Stadt war damals nur von deutschen Soldaten – Infanterie, schwere Artillerie und Marine – besetzt. Die Zivilpersonen hatten die Stadt verlassen und alles war wie ausgestorben. Tito-Truppen hatten die Stadt umzingelt und es war höchste Zeit, dass wir räumten.
Alles war knapp. Wir bekamen am Mittag einmal zu essen. Schnaps und Zigaretten hatten wir genug. Wir wurden dann von 2 Kriegstransportern abgeholt. Ich war auf KT 6. Als Begleitschutz hatten wir 4-5 Schnellboote. Dann ging es mit Höchstfahrt nach Fiume, da überall englische MTBs und MGB lauerten. MFPs waren nicht eingesetzt. Sie waren zu langsam. Wir hatten damals 2 Nächte von Fiume nach Zara gebraucht.
Nach ca. 1-2 Wochen Aufenthalt im Stützpunkt Fiume, wurde ich – mit noch anderen Kumpels – nach Triest auf F 975D kommandiert. Das Boot war schon fast bemannt. Man wartete nur noch auf uns, dann waren wir komplett.

Von Mitte November bis Mitte Dezember Fahrten mit Heeresgut – Munition, Verpflegung, Panzer und Geschütze – nach Venedig. Aber auch Verpflegung für die Zivilbevölkerung, wie Fleisch, Kochsalz usw. Die Zufahrtswege nach Venedig waren laufend unter Beschuss. Wir fuhren immer mit 2 Booten – F 974 und F 975. Weihnachten 1944 verbrachten wir in Triest. Als Weihnachtsgaben bekamen wir von den Heereseinheiten kleine Weihnachtsgeschenke.
Eine kleine Story: bei einer Fahrt von Triest nach Venedig hatten wir uns restlos verfahren und landeten mitten im Minenfeld. Mit viel Glück und unserem geringen Tiefgang, erreichten wir mit 3 Stunden Verspätung glücklich die Einfahrt nach Venedig und sahen an backbord den Leuchtturm vom Lido. Im Hafen von Venedig hatten wir dann eine schwere Ramming mit einer Holzpier und einem kleinen italienischen Fährboot. (Na – warum wohl?). Der Schaden betrug 300 000 Lire. Die Lire stand damals auf 1:10.
Nach Weihnachten verlegten wir nach Pola. Silvester in Pola. Trotzdem es verboten war mit Maschinenwaffen und RAK [RAG]-Werfern zu schießen, stieg um 0.00 Uhr ein Feuerzauber, der sich sehen lassen konnte. Hinterher war der Teufel los. Ganze Bootsbesatzungen wurden verurteilt und auf die Insel Cres zum Strafbataillon geschickt. Wir hatten aber Glück, denn man konnte uns nichts nachweisen.
Die nächste Fahrt ging nach Fiume. Dort bekamen wir die Order, Verpflegung für deutsche Soldaten auf die Inseln an der dalmatinischen Küste zu bringen. Aber es kam nicht dazu. Eine Woche lang wurde immer wieder geladen und entladen, wenn feindliche Boote gemeldet wurden. Wir mussten dann leer raus aus dem Hafen und die Verfolgung aufnehmen, bekamen aber keine feindlichen Boote zu Gesicht, da sie schneller waren als wir. Nach einer Woche wurde der Einsatz abgeblasen. Grund: es hatte sich herausgestellt, dass die feindlichen Boote 3 englische Zerstörer waren. Wenn man bedenkt, dass unsere MFPs mit einer 8,8-cm-Kanone und einer Höchstfahrt von 10kn auf die feindlichen Zerstörer mit 5-10,5 oder 15-cm-Geschützen und einer Höchstfahrt von 20-30kn gestoßen wären – nicht auszudenken! Und so waren wir heilfroh, dass wir die Boote nicht trafen.

F 865, ein MFP vom Typ D, 1944 in Genua
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In der Zeit von Mitte Januar bis etwa Ende Februar wurde die Bucht von Fiume total vermint und zwar zwischen dem Festland Istrien, der Insel Cres, der Insel Krk und dem Festland Kroatien-Dalmatien. Inzwischen waren zu unseren 5-6 MFPs 3 Minen-MFPs gestoßen. Unsere MFPs haben dann für die Minenleger beim Legen Sicherung gefahren.
Die letzte Fahrt machten wir zum Rasa-Kanal an der Südspitze von Istrien, um Kohlen zu laden. Der Geleitzug bestand aus 4 MFPs und einem alten 3000t-Frachter. Nachdem geladen war, mussten wir schnellstens verholen und uns tarnen, da ein Großangriff auf Pola stattfand. Wir konnten das Bombardement bis zu uns hören. Es flog laufend Welle auf Welle über uns hinweg.
Am nächsten Tag waren wir an der Reihe. Zuerst erschien ein ganzes Rudel Mosquitos mit Raketen und Bomben. Der Angriff konnte durch unser gezieltes Abwehrfeuer abgeschlagen werden. Der Gegner verlor ein Flugzeug und kam nicht wieder. Aber nach 3-4 Stunden kam es ganz dick. Wir hatten in der Zwischenzeit an der Pier in Pola festgemacht. Als wir das monotone Brummen hoch fliegender Flugzeuge hörten, flüchteten wir uns in einen nahe gelegenen tiefen Stollen, der in den Felsen gesprengt worden war. Kaum waren wir drin, begann das Inferno.
Als wir den Stollen verlassen konnten, sahen wir nur noch Trümmerhaufen. Ein Boot nach dem anderen versank. Wir konnten noch einzelne 2-cm-Flak-Geschütze, Lenzpumpen und andere Gegenstände bergen. Unser Boot F 975 war das einzige Boot, welches noch schwamm, aber was war mit ihm los? Eine Bombe hatte einen achteren Poller getroffen. Durch die Druckwelle war es hochgeflogen und auf das Wasser geklatscht. Es war in der Mitte zwischen Hellegatt und Laderaum auseinander gebrochen. Beim Typ D war zwischen dem Maschinenraum und dem Laderaum ein Hellegatt und 2 Klosetts. Nur unten der Boden war noch ganz.
Das Boot wurde dann auf den Strand gelegt und seitlich mit 2 U-Trägern verschweißt. Anschließend wurde der Spalt mit hunderten von Glaswolle-Schwimmwesten notdürftig abgedichtet. Nachts holten uns 3 Artilleriefähren ab. Zuerst sollten 2 Boote backbord und steuerbord längsseits gehen und uns mit Stahlseilen unterfangen. Das ging aber nicht. Daraufhin wurden sämtliche Lenzpumpen der anderen Boote zu uns an Bord gebracht und wir mussten pumpen dass die Schwarte krachte, da wir viel Wasser im Laderaum hatten. So kamen wir nach Stunden heil, glücklich und völlig erschöpft in Fiume an. Wir wurden dann sofort nach Sussac in ein Schwimmdock gebracht. Sussac liegt neben Fiume und hat eine Werft. Es muss so Anfang März gewesen sein. Dann bekam die eine Hälfte der Besatzung Urlaub und anschließen die andere.


F 819, ein MFP vom Typ DM, 1944 in einem ital. Hafen
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Als wir zurückkamen, war unser Boot noch nicht fertig. Dann kam die Order, dass alle Soldaten, die nicht im Einsatz waren, nach Triest verlegt würden. Ich kam zuerst nach Pola und dann nach Triest. Dort wurde ich für einen Tag auf AF 1003 kommandiert. Da aber die Besatzung schon vollzählig war, musste ich nach Triest zurück. Danach Kommandierung zum Auffanglager der L-Flottillen, der 2. Flottillen-Stammkompanie Noale bei Mestre. Nach tagelangen Einsätzen zur Bandenbekämpfung erfolgte die Abkommandierung zum Marineverpflegungslager, etwa 20km östlich von Noale, da das Lager von Partisanen bedroht war.
Etwa Ende März, Anfang April begann der Rückzug der deutschen Truppen aus der Po-Ebene in Richtung Alpenfestung. Das Verpflegungslager wurde geräumt und wir bekamen die Order, uns in ein großes Waldstück zwischen Montebelluna und Treviso zurückzuziehen. Dort erwarteten uns 20 bis 30 LKWs, die alle mit Seeleuten voll gepackt wurden. Auf jedem LKW war eine Flak montiert, je nach Größe des Wagens 2- bis 4-cm-Geschütze. Unserer Einheit trug den Namen „2. Transportflottille – Marineeinheit Hunaeus“ (Mar.Btl. Hunaeus). Ich gehörte der 3. Kompanie an.
Wir waren in der damaligen Zeit die einzige Einheit, die den Rückzug noch kampffähig antrat. Wir kamen bis Cortina und 8 Tage vor Kriegsschluss haben uns die Amerikaner übernommen. Von Cortina ging es nach Feltre – über Bellume – in ein Auffanglager und weiter nach Rimini in englische Gefangenschaft. Von dort kam ich über Arcona, Tarent und Bari nach Altamura. Dort traf ich einen MFP-Kommandanten, der die letzten Fahrten der Marineeinheiten mitgemacht hatte.
Er berichtete: Sämtliche Boote im Raum Fiume wurden mit Menschen und Material beladen und nach Triest gebracht. Dort trafen sich alle verfügbaren Schiffe. In der Zeit von Mitte April bis Anfang Mai brachten die letzten MFPs pausenlos Soldaten von Heer und Marine von Grado zu den Lagunen vor Venedig. Sie sollten nicht in die Hände der Tito-Partisanen fallen. In Venedig kamen sie dann in englische Gefangenschaft. Die Boote wurden – soweit mir bekannt – nicht zerstört.


Ich kann mich noch an folgende Boote erinnern:
  • F 942 D Transportboot
  • F 974 D Transportboot (unser Rottenkamerad)
  • F 975 D Transportboot

  • AF 1003 D ? Artilleriefähre, Gruppenführer-Boot (Kreuz As)
  • AF 1004 D ? Artilleriefähre, Gruppenführer-Boot (Pik As)
  • AF 1005 D ? Artilleriefähre, Gruppenführer-Boot (Herz As)


Weitere Angaben über die Boote:

1. MFP F 942 D:
  Kommandant: Bootsmann Wieland (gefallen bei Vir)
  Stellv. Kommandant und Geschützführer 8,8-cm 1 OBtsmt.
  1 Btsmt., 1 Maschmt. und 17 Mann.

  Bewaffnung:
  8,8-cm U-Bootslafette mit Geschützturm
  3,7-cm Flak-Geschütz (Baretta-Italien) ohne Schutzschild
  2-cm Vierlingsflak ohne Schutzschild
  2x2-cm Einzelflak (Baretta-Italien) ohne Schutzschild
  2 deutsche Wasserbomben (achtern)
  2 Rak-Werfer
  1 Flieger-MG Rheinmetall 15

2. MFP F 975 D:
  Kommandant: 1 Stabsoberbootsmann
  Stellv. Kommandant und Geschützführer 8,8-cm 1 OBtsmt.
  1 Btsmt., 1 Maschmt. und 21 Mann.

  Bewaffnung:
  8,8-cm U-Bootslafette mit Geschützturm
  4-cm Flak-Geschütz (Bofors) mit Schutzschild
  2-cm Vierlingsflak mit Schutzschild
  2x2cm Doppelflak mit Schutzschild
  4 Wasserbomben (achtern)
  2 Rak-Werfer
  1 Flieger-MG Rheinmetall 15


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